Das „Henne-Ei-Problem“ kann einer der Gründe sein, warum in Unternehmen Investitionen in 5G-Technologie letztlich scheitern:
Hersteller definieren keine konkreten Lösungen, solange kein klarer Use Case vorliegt. Unternehmen formulieren aber keine Anwendungsfälle, solange die Kosten unklar sind. … Foto: KI-generiert
Warum sich besonders für kleine und mittlere Unternehmen ein zweiter Blick auf 5G-Technologie lohnt, warum viele Investitionen am „Henne-Ei-Problem“ scheitern – und was sich ändern muss, damit die 5G-Technologie in Wirtschaft und Mittelstand ankommt: Das haben wir in unserem Blog-Beitrag für Sie zusammengefasst…
Wer heute über 5G spricht, spricht nicht nur über schnelles Internet. Vielmehr geht es um eine Schlüsseltechnologie, die neue digitale Geschäftsmodelle ermöglicht, Prozesse automatisiert und Maschinen miteinander kommunizieren lässt – in Echtzeit, sicher und unabhängig von öffentlichen Netzen. Und trotzdem: In vielen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) ist 5G bisher kein Thema. Zu groß scheint der Aufwand, zu unklar der Nutzen, zu hoch die Hürden beim Einstieg.
Genau dieser Punkt war Ausgangslage für eine vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) initiierte Konsultation unter dem Titel:
„Wie verhelfen wir Schlüsseltechnologien wie 5G in vertikalen Industrien zum Durchbruch?“
Vertikale Industrien – also Wirtschaftszweige mit spezialisierten, technologiegetriebenen Produktionsprozessen – sind prädestiniert für den Einsatz von 5G. Doch wie kann es gelingen, dass sich diese Technologie breiter durchsetzt? Und wie sprechen wir vor allem jene Unternehmen an, die bislang noch nicht überzeugt sind?
Zwei Thesen, zwei Herausforderungen – und unsere Sicht als 5G-Netzbetreiber
Im Rahmen der Konsultation wurden zwei zentrale Thesen zur Diskussion gestellt:
- 5G könnte schneller in die Breite kommen, wenn mehr marktreifes Equipment zu vertretbaren Kosten verfügbar wäre – und Investitionen in eigene Infrastruktur erleichtert würden.
- Das Wissen aus Forschung und Pilotprojekten kommt in der Breite nicht an, vor allem nicht bei KMU, die oft weder die Kapazitäten noch den Zugang zu diesem Know-how haben.
Als WLH Wirtschaftsförderung im Landkreis Harburg GmbH sind wir Betreiber eines privaten 5G-Netzes im TIP Innovationspark Nordheide in Buchholz und stimmen beiden Aussagen grundsätzlich zu. Aber wir möchten sie differenzieren – und mit unserer praktischen Erfahrung aus Forschung und Unternehmensalltag ergänzen.
Was bremst 5G im Mittelstand? Und warum trotzdem großes Potenzial besteht
Zunächst gilt es, die Ursachen der Zurückhaltung realistisch zu benennen. Denn sie sind nicht irrational, sondern nachvollziehbar:
- 5G wirkt zu abstrakt. Viele Unternehmen wissen nicht, wofür sie es konkret einsetzen sollen – geschweige denn, welchen wirtschaftlichen Mehrwert es bietet.
- Die Umsetzung ist komplex. 5G ist keine „Plug-and-Play“-Technologie. Ohne Expertise in Mobilfunk und IT fällt es schwer, Projekte selbstständig aufzusetzen.
- Der Aufbau eigener Infrastruktur ist kaum kalkulierbar.
Unternehmen wissen oft nicht, welche Komponenten sie benötigen, was sie kosten und welche Investitionen insgesamt notwendig sind. Die Anbieterlandschaft ist fragmentiert, standardisierte Lösungspakete fehlen. Die Folge: KMU scheuen den Einstieg – auch, weil der Nutzen schwer gegen die Kosten abgewogen werden kann.
- Investitionen scheitern am Henne-Ei-Problem.
Hersteller definieren keine konkreten Lösungen, solange kein klarer Use Case vorliegt. Unternehmen formulieren aber keine Anwendungsfälle, solange die Kosten unklar sind. Es fehlt an praxistauglichen, vorkonfigurierten Angeboten.
- Andere Funktechnologien erscheinen einfacher.
WLAN, das bereits in Unternehmen vorhanden ist, erscheint oft als naheliegendere Lösung – auch wenn es an technologische Grenzen stößt, etwa bei mobilen Anwendungen oder großen Produktionsflächen.
Was zusätzlich bremst: Erwartungen, die nicht zur Realität passen
Viele Unternehmen sind durch ambitionierte 5G-Versprechen aus Werbung und Medien verunsichert.
Denn: Nicht alles, was angekündigt wurde, ist derzeit technisch umsetzbar. Funktionen, die in der Öffentlichkeit mit 5G verbunden werden, stehen erst mit kommenden Releases vollumfänglich zur Verfügung.
Hinzu kommt ein struktureller Zeitverzug: Die Standardisierung erfolgt theoretisch, dann folgen Entwicklung und Zertifizierung bei Herstellern. Erst danach können Integratoren Lösungen anbieten, die wiederum in den Unternehmen eingeführt werden müssen. Für KMU ist dieser Weg kaum transparent und schwer planbar.
Unsere Erfahrungen: Von der Skepsis zum Umsetzungserfolg
Im TIP Innovationspark stellen wir unsere private 5G-Infrastruktur sowohl für Forschungsprojekte und Kooperationspartner als auch für Unternehmen aus dem Mittelstand, Start-ups und KMU aus der gesamten Metropolregion Hamburg bereit. Wir kennen daher beide Perspektiven: den Infrastrukturaufbau ebenso wie die konkrete Umsetzung im Unternehmenskontext.
Dabei erleben wir oft: Kleine und mittlere Unternehmen verfügen über keine eigene Mobilfunkkompetenz.
Der Aufbau und Betrieb eines Netzes erfordert Kenntnisse, die mit klassischer IT nicht vergleichbar sind. Das erzeugt eine neue Abhängigkeit von externem Know-how – was Aufwand, Kosten und Entscheidungsrisiken erhöht.
Und dennoch: Dort, wo Unternehmen den wirtschaftlichen Nutzen erkannt haben, entsteht oft schnell Umsetzungswille – und am Ende erfolgreiche Anwendungsfälle. Diese reichen von autonomen Fahrzeugen (AGVs) über robotergestützte Produktionslinien bis zu KI-gestützter Qualitätssicherung.
Dr. Timo Maurer (l.) und Prof. Dr.-Ing. Christian Lauter sind Steinbeis-Unternehmer des neuen Steinbeis-Transferzentrums Digitalisierung in KMU und Behörden. Foto: Bianca Augustin
Was sind ändern muss, damit mehr Unternehmen profitieren können
Damit 5G kein Nischenthema für Großunternehmen bleibt, braucht es aus unserer Sicht fünf zentrale Entwicklungen:
- Mehr marktreifes, bezahlbares Equipment.
- Klare, transparente Investitionsrahmen.
- Förderprogramme, die realitätsnah sind.
Antragsverfahren sollten weniger bürokratisch sein und nicht nur Innovationssprünge fördern, sondern auch Umsetzungen im Bestand ermöglichen – zum Beispiel wie frühere Digitalboni.
- Ein echtes Ökosystem statt Einzelinteressen.
Heute agieren viele Beteiligte in Silos: Hersteller wollen Hardware verkaufen, Integratoren ihre Dienstleistungen, Endkunden suchen nach Lösungen. Was fehlt, ist eine gemeinsame Sicht auf den Endnutzer. End-to-End-Ansätze sind bislang die Ausnahme.
- Kompetenzzentren und Technologietransfer-Projekte.
KMU brauchen niedrigschwellige Begleitung – von Pilotierung über Qualifizierung bis zur Integration. Wie das gelingen kann, zeigt ein Beispiel aus dem Landkreis Harburg: Das im Sommer frisch gegründete Steinbeis-Transferzentrum „Digitalisierung in KMU und Behörden“ bietet praxisnahe Unterstützung bei der Entwicklung und Umsetzung digitaler Lösungen – von Künstlicher Intelligenz (KI) über AR-/VR-Anwendungen bis hin zum Einsatz privater 5G-Netze.
Fazit: 5G lohnt sich – wenn man es richtig angeht
Unsere Erfahrung zeigt: 5G kann enorme Potenziale freisetzen – auch und gerade für kleine und mittlere Unternehmen. Aber es braucht die richtige Herangehensweise. Wer 5G als langfristige Infrastruktur für viele digitale Anwendungen denkt, wer sich frühzeitig vernetzt und Know-how aufbaut, kann mit dieser Technologie echte Wettbewerbsvorteile erzielen.
Deutschland bietet mit der Möglichkeit privater 5G-Netze einen internationalen Standortvorteil.
Diese Chance sollten wir gezielt nutzen – nicht nur in Pilotprojekten, sondern breitflächig im Mittelstand. Die Rahmenbedingungen müssen sich weiterentwickeln – aber die Technologie ist bereit. Jetzt kommt es darauf an, sie auch zugänglich und nutzbar zu machen.
Weiterführende Links & Kontaktmöglichkeiten:
Die Auswertung der Konsultation „5G für die Wirtschaft: Wie verhelfen wir Schlüsseltechnologien wie 5G/6G in vertikalen Industrien zum Durchbruch?“ des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr finden Sie hier als PDF zum Download … (Quelle: bmv.de)
Sie haben Interesse an der Nutzung von 5G-Technologie in Ihrem Unternehmen oder in Ihrer Organisation, suchen nach Zugangsmöglichkeiten in der Metropolregion Hamburg oder Unterstützung bei der Implementierung? Dann nehmen Sie gerne Kontakt mit unserem Team bei der WLH Wirtschaftsförderung im Landkreis Harburg GmbH auf! Sie erreichen uns unter info@wlh.eu oder Telefon (04181) 92360.
Von Dr. Timo Maurer